Wawrochen

Allenstein ist nett. Viel wurde renoviert und restauriert. Es hat mich sofort an Altenkirchen im Westerwald erinnert. Im Zentrum also immer noch ein sehr deutsches Stadtbild. Außerhalb dessen nicht. Doch brauchten wir nicht lange, um wieder in der grünen Natur zu sein und die baumgesäumten Straßen in Richtung Ortelsburg (Szczytno) in Angriff zu nehmen. Badepausen inklusive eine tolle Etappe, wie sonst auch meistens auf ruhigen Nebenstraßen.

Exkurs: Landschaft

Ich hatte keine Ahnung, wie Ostpreußen aussehen würde. Ich habe nur immer zu Hören bekommen, wie toll es da doch sein soll. Vielleicht war ich wegen dieser Aussagen auch etwas enttäuscht. Es sieht nämlich aus wie zu Hause. Truppenübungsplatz Munster Süd, daran habe ich mich dauernd erinnert gefühlt. Die einsamen Straßen durch die Wälder, die unberührten Heidelandschaften, kennt man doch alles. Und noch ein bekannter Landschaftstyp: Leicht hügeliges Geländer mit Getreidefeldern und Viehweiden, Schleswig-Holstein pur! So gesehen also sehr ernüchternd. Nur: Das gibt es so in Deutschland bloß noch ganz selten. Die Heidelandschaften eh nur auf den Truppenübungsplätzen und in Schleswig-Holstein kommt man auch durch wesentlich mehr Städte, sieht Traktoren anstatt Pferdewagen, und Störche gibt es schonmal gar nicht.

Ortelsburg war nicht gar so schlimm wie unser Reiseführer es ankündigte. Das alte Stadtbild ist gut zu erahnen. Die Herberge sollte eine feste sein. Das erste Hotel am Platz war voll, kein Wunder, bei den zwei Reisebussen aus Deutschland davor. Also wurde es das zweite, etwas außerhalb. Zwei Nächte quartierten wir uns dort ein, konnten mal wieder die Schlafsäcke lüften, das Zelt trocknen und alle Klamotten waschen. Bei kaltem Bier, warmer Dusche, Sportschau und Schnitzel mit angeblicher Heidelbeersoße ließen wir es uns gut gehen.

Am Sonntag sollte es dann soweit sein. Der nächste Höhepunkt unserer Reise. Wir besuchten das Heimatdorf meines Großvaters. Wawrochen (Wawrochy), knappe 5km südöstlich von Ortelsburg. Und, naja, so wirklich spannend war es dann nicht. Ziemlich langweilig, das Dorf, noch mehr als andere, die wir durchfuhren. Ein paar alte Gebäude stehen noch, etliche mittelhässliche Betonhütten, einige schöne Neubauhäuser und viel nix. Platt wie in der Marsch, sandige Heideflächen zwischen Fichtenwäldchen, hier und dort mal ein kleines Getreidefeld. Mehr geht hier nicht. Früher aber auch schon nicht. Schon früh morgens waren die Bänke vor den beiden kleinen Läden mit Bier trinkenden Männern besetzt mit denen wir uns leider trotz allen Mühen nicht verständigen konnten.

Exkurs: Menschen

Wir haben viele Menschen unterwegs getroffen. In Städten, in Dörfern, auf Fahrrädern, am Wegesrand, in Touristenmolochs und wahren Kuhkäffern. Die Polen denen wir begegnet sind, waren fast ausschließlich sehr freundlich und extrem hilfsbereit. Egal, ob wir uns verbal verständigen konnten oder nicht, wir bekamen immer Hilfe, die nötige Information oder einen Schlafplatz. Was auch immer. Die meisten jungen Leute sprechen Englisch, manchmal Deutsch. Die älteren weniger, irgendwer findet sich aber immer jemand.
Auf ausdrücklichen Wunsch meines Lektors möchte ich hier extra betonen: Polen ist ein Land auf dem Weg ins Herz Europas! Nicht nur politisch, historisch sowieso, auch kulturell und von ihrer Mentalität sind die Polen waschechte Mitteleuropäer. Sie werden würdige und souveräne Partner im geeinten Europa sein!

Nach drei Runden durch und um das Dorf und etlichen Fotos fuhren wir weiter. Durch viel Wald, über inderkarteistsieabergelb Sandwege und ohne Badeseeabstecher kamen auch an unserem Ruhetag (!) über 40km zusammen. Brotzeit am Fuße der Ortelsburg mit Entenfütterung, Kartenstudium im Garten des Hotels, viel mehr war nicht los an dem Tag.